Meine liebe Mama ist gelernte Schneiderin und wir haben uns schon immer Kleidung gekauft, die uns gefallen, aber nicht 100% gepasst hat. Diese werden dann in der privaten Schneiderwerkstatt passend gemacht. 1999, als ich 12 Jahre alt war, sollten bei einem Top die Träger gekürzt werden. Meine Mama konnte es nicht glauben, dass sie auf der einen Seite der Schultern die Träger mehr kürzen musste als auf der anderen Seite. Das gleiche geschah dann bei den Jeans, ein Hosenbein musste kürzer genäht werden als das Andere. Das kann doch nicht wahr sein?! Was ist hier los? Also gingen wir zum Hausarzt, dieser hat einen Termin bei einem Orthopäden ausgemacht, am schnellsten ging es in der Universitätsklinik.
1999: DIAGNOSE SKOLIOSE – 1.x RÖNTGEN – COBB-WINKEL – SCHUHEINLAGEN
Dort musste ich zum ersten Mal mein T-Shirt ausziehen, mich mit dem Rücken zum Arzt drehen und nach vorne überbeugen. „Ja, das sieht nach einer Skoliose aus. Bitte kommen Sie in drei Wochen wieder mit einem Röntgenbild und lassen Sie sich Einlagen für den rechten Fuß anpassen.“ Wir haben kein Wort verstanden. Wo sollten wir denn ein Röntgenbild herbekommen? „Ja, gehen Sie zu Ihrem Hausarzt und lassen Sie sich einen Termin für ein Röntgenbild geben.“
Gesagt, getan. Beim Röntgen wurde mir eine schwere Bleimanschette um die Schultern gehangen und es wurden zwei Röntgenaufnahmen vom vorderen und hinteren Oberkörper gemacht. Die Bilder wurden ausgedruckt und ein sogenannter Cobb-Winkel von 35° in der Brustwirbelsäule und 32° in der Lendenwirbelsäule berechnet. „Bitte gehen Sie zu Ihrem Hausarzt und lassen sich Physiotherapie verschreiben, hier ist die Bescheinigung, dass Sie vom normalen Schulsport ausgeschlossen sind. Wir sehen uns in einem Jahr zur Kontrolle wieder.“ Die Schuheinlagen gab es beim orthopädischen Schuhmacher um die Ecke. Leider sollte ich später lernen, dass diese alles noch viel schlimmer gemacht haben.
2000-2006: PHYSIOTHERAPIEN
Danach folgten unzählige Physiotherapiebesuche. Ich kenne jeden Physiotherapeuten in meiner Kleinstadt. Die Rezepte wurden immer wieder verlängert, mal mit Fangopackung, mal ohne zur Entspannung der Rückenmuskulatur. Irgendwann wurden sie auf den Status chronisch abgeändert und die Rezepte wurden ohne Probleme und Rückfragen weiter verlängert. Bei der Physiotherapie wurde ich viel massiert, was mir erste Erleichterung verschafft hat, weil die Muskeln in den Schultern, entlang der Wirbelsäule und im unteren Rücken sehr verhärtet waren, zu ein paar Übungen sind wir in den 20 Minuten meistens nicht mehr gekommen.
2000: 2. RÖNTGENAUFNAHME – KORSETT
Ein Jahr später waren wir zur nächsten Kontrolle in der Universitätsklinik. Erneute Röntgenaufnahmen und erneute Winkelmessung. 38° Cobb-Winkel in der Brustwirbelsäule und 35° in der Lendenwirbelsäule. „Wir müssen Ihnen ein Korsett anpassen, das müssen Sie 23 Stunden am Tag tragen. Bitte kommen Sie in einem Jahr zur Kontrolle wieder“. Ich war schockiert. Zwei Wochen später durften wir das Monsterkorsett abholen. Das soll ich ab sofort 23 Stunden tragen?? Ich war mittlerweile 14 Jahre alt. In meiner Klasse hat noch nie jemand so ein Ding gesehen, geschweige denn etwas davon gehört. Durch das Korsett bekam ich blaue Flecken an der Schulter, am Rücken, an den Hüftknochen, am Po, alles tat weh. Einatmen war mir nur begrenzt möglich und ich bekam Platzangst. Ich habe nur noch geweint und eine derartige Aversion entwickelt, ich spüre noch heute wie mich der Ärger ergreift, wenn ich nur an diese Monate denke. Ich habe das Korsett nach vier qualvollen Monaten abgelegt, in den Schrank geschmissen und nie wieder angerührt.
2001: 3. RÖNTGENAUFNAHME – OPERATION?! – WENDEPUNKT
Im dritten Jahr sind wir wieder in die Uniklinik und diesmal kam sogar der Oberarzt in unsere Sprechstunde mit der Botschaft: „Die Gradzahlen haben sich weiter verschlechtert. Wir können endlich operieren, sonst werden sie mit 21 Jahren im Rollstuhl sitzen.“ Ich habe schon während der Sprechstunde geweint und Panik bekommen.
Meine Eltern haben damals zum Glück richtig reagiert. Das war der Wendepunkt. Wir sind aufgestanden und nie mehr in die Uniklinik zurückgegangen. Sie haben angefangen sich über Alternativen zu informieren. Denn die Horrorvorstellung meinen gesamten Rücken einmal aufschneiden, alle Muskeln und Fasern durchtrennen, um dann eine Metallstange einpflanzen zu lassen und dann wieder zuzunähen, kam für uns nur als allerletzte Möglichkeit in Frage, wenn wir alles andere ausprobiert hatten. Denn nach einem solch gravierenden Eingriff garantierte mir niemand, dass ich weniger Schmerzen haben, freier Atmen werde oder wie lange dieses Gefühl anhalten würde. Nach dieser riesen Tortur-OP und anschließendem Muskelabbau im Krankenhausbett, müssen auch Muskeln aufgebaut und gezielte Übungen gemacht werden. Ich war damals schon der Ansicht, dass die Natur stärker als jedes Material ist und mit der Zeit die Muskeln den Metallstab in meinem Rücken verkrümmen und zerbersten lassen würde, wenn ich nichts tue. Dann kann ich auch gleich anfangen und meine Gesundheit in die eigenen Hände nehmen.
2002+2003: SCHROTH-KLINIK BAD SALZUNGEN
Wir haben den komplexen Anmeldeprozess für einen 6-wöchigen Kuraufenthalt in der Katharina Schroth Klinik in Bad Salzungen erfolgreich erledigt. Ich wurde zwei Wochen vor und zwei Wochen nach den Osterferien von der Schule freigestellt. Während des Kuraufenthalts habe ich extrem viel über meine Wirbelsäule, Streckung und Atmung gelernt. Mir hat es gefallen, dass ich mit vielen anderen Jugendlichen zusammen sein und sehen konnte, dass ich nicht alleine bin. In einem weiteren dreiwöchigen Aufenthalt in den Sommerferien habe ich die Therapieprinzipien der Atmung und Kissenunterlagerung bis heute in meine Erinnerung eingebrannt. Aber auch die Worte Lendenwulst und Rippenbuckel sind nicht in Vergessenheit geraten. Wulst und Buckel klingen nach etwas Ekelhaftem, das niemand am Körper haben möchte, speziell niemand in der Pubertät. Jetzt verwende ich achtsamere Worte wie Wölbung oder Rundung.
Zu Hause habe ich nach einem Physiotherapeuten gesucht, aber leider keinen mit entsprechenden Kenntnissen oder Ausbildung finden können. Meine Lust und Motivation die gelernten statischen Übungen weiterhin Zuhause zu üben war relativ schnell verschwunden, aber ich konnte mich phasenweise immer wieder aufraffen. Meine Eltern haben sich extrem eingesetzt und alles Menschenmögliche getan um mit mir zum Beispiel ein Jahr lang regelmäßig über 70 Kilometer für eine elektrische Behandlung von Triggerpunkten zufahren. Des Weiteren probierte ich Bobath, Vojta, Osteopathie, Chiropraktik und weitere Physiotherapie Behandlungen. So ging das wöchentlich bis es an die Berufswahl und Bewerbungsphase ging.
2005: BERUFSWAHL – VORSTELLUNGSGESPRÄCHE
Plan A sollte ein duales Studium in der Wirtschaft sein, etwas Solides mit Sprachen und Reisen. Plan B war eine Physiotherapie-Ausbildung. Plan B wurde verworfen, weil ich zum Beispiel niemals einen schweren Mann in der manuellen Therapie bewegen könnte und das nicht gut für meinen Rücken sei. So viel Stehen würde ich wohl auch nicht aushalten und noch mehr Schmerzen bekommen.
2006-2009: DUALES STUDIUM – KEIN ROLLSTUHL
Plan A wurde wahr. In den nächsten drei Jahren habe ich durch häufige Ortswechsel und vollen Stundenplan nichts Gezieltes gegen meine Beschwerden getan, aber ich bin mehr und mehr weg vom Musizieren hin zum Sport gekommen: Fahrrad fahren, wandern und Inline skaten. Ich wurde 21 Jahre und war weit entfernt von einem Rollstuhl! Ich habe den Tag gefeiert und an den Oberarzt denken müssen.
2010: 1. YOGASTUNDE
Danke guter Kollegenfreundinnen bin ich im Jahr 2007 zu meiner ersten Yogastunde gegangen. Dieser erste und alle weiteren Mittwochabende bei Barbara Ignatowitz haben mein Leben nachhaltig verändert. Ich habe mich an die Schroth-Übungen erinnert und intuitiv einige Anpassungen für mich gemacht. Nach ein paar Monaten konnte ich feststellen, dass ich weniger Rückenschmerzen und Magenbeschwerden durch Stress hatte, besser schlief, ausgeglichener war, flexibler und kräftiger wurde.
Die Yogastunden haben mich wieder meinen Körper spüren und mich Kraft schöpfen lassen. Ich habe wieder intensiver angefangen nach Skoliose, Yoga und weiteren Behandlungsmöglichkeiten zu recherchieren. Ich habe damals nicht viel zum Thema Yoga und Skoliose gefunden, außer einem niederschmetternden Zeitungsartikel indem Yoga bei Skoliose ganz und gar nicht empfohlen wird. Das konnte ich nicht bestätigen und habe weiter recherchiert.
2011-2015: TRI-YOGA
Ab 2011 habe ich einen zweiten Abend pro Woche mit anatomisch korrekt ausgerichtetem Tri-Yoga bei Christiane Wolff in Oberursel (bei Frankfurt am Main / Deutschland) gefüllt. In diesen Jahren habe ich viel Selbstbewusstsein und Wertschätzung für mich gewonnen.
2010 – 2014: WORKSHOPS – YOGA-URLAUBE
Ich habe gezielt Seminare besucht und meine Urlaube dem Yoga gewidmet:
- Yoga Vidya in Bad Meinberg „Skoliose und Yoga“,
- Spiraldynamik-Einführungsabend im Spiraldynamik-Zentrum in Zürich,
- Wochenend-Seminar „Spiraldynamik bei Skoliose für Therapeuten und Patienten“,
- Tagesseminar „Spiraldynamik und Yoga“,
- Yoga-Convention in Wels/Österreich,
- 1. Yogatherapie Convention in Rosenheim/Deutschland,
- Yogawoche in Malaga/Spanien in der Casa el Morisco sowie
- Yogawoche in der Türkei im Haus Olympos Mythos.
2014: 1. BEGEGNUNG AYUR-YOGATHERAPEUT CHRISTOPH KRAFT
Im Olympos Mythos durfte ich Christoph Kraft mit seiner Familie kennenlernen. Einige Zeit später bin ich „zufällig“ auf seine Website aufmerksam geworden und habe mich zu einer eintägigen Einführungsveranstaltung „Ayur-Yogatherapie nach Remo Rittiner“ angemeldet. Das ganzheitliche Konzept hat mich auf Anhieb überzeugt und bestärkt, dass das der richtige Weg für mich ist, um meinen Plan B zu erfüllen und mich tiefer mit den körperlichen und geistigen Themen im Yoga und bei Skoliose zu beschäftigen.
Am Ende des gleichen Jahres bin ich aus beruflichen Gründen an den Zürichsee gezogen.
2015-2017: AUSBILDUNG AYUR-YOGATHERAPIE
2015 habe ich mit der Ausbildung zur Ayur-Yogatherapeutin in Bärstadt bei Wiesbaden (Deutschland) begonnen. In erster Linie mit dem Vorhaben das nur für mich zu tun und meinen Beschwerden Abhilfe zu schaffen. Nach und nach habe ich erkannt, dass Skoliose nicht nur eine Seitneigung und Verdrehung der Wirbelsäule ist, sondern sich die Dysbalancen in jedem Muskel wiederfinden. Seit der zweiten Intensivwoche im August 2016 möchte ich meine Erfahrungen mehr und mehr mit Anderen teilen und das Leben von Menschen mit Skoliose erleichtern und bestärken.
2016: DVD „YOGATHERAPIE BEI SKOLIOSE“
Aus dieser Motivation heraus, meine Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen und den Alltag von Menschen mit Skoliose zu erleichtern, ist im Oktober 2016 die DVD „Yogatherapie bei Skoliose“ mit Remo Rittiner entstanden. Genau mein Stil: Klare Bewegungen, Anpassungen der Asana (Körperübungen im Yoga) an die jeweilige Skoliose, atemgeführt, eventuell kleine Hilfsmittel, Übungen mit dem eigenen Körpergewicht und barfuß.
2017: ERÖFFNUNG YOGA & SKOLIOSE STUDIO IN WÄDENSWIL, AM ZÜRICHSEE
Seit Mitte 2017 sehe ich es als meine Berufung anderen Menschen mit Skoliose meine Erfahrungen weiterzugeben. Die Sitzungen finden in Einzelstunden statt, so kann ich am Besten auf den Teilnehmer, seine Fragen und Bedürfnisse eingehen.
2018: UMZUG NACH OBERURSEL, NAHE FRANKFURT AM MAIN
Back to the roots. Nach 4 herrlichen Jahren am Zürichsee zieht es mich zurück in die Heimat. Ich biete weiterhin Einzelstunden (in der Mühleninsel in Niederursel oder als Mobilservice bei dir Zuhause an) sowie Yogatherapie-Workshops bei Skoliose in ganz Deutschland an.
2018-2021: ASSISTENTIN DER AYUR-YOGALEHRER-AUSBILDUNG IN LEIPZIG
Ulrike Wagner und Claudia Rauer leiten die Ayur-Yogalehrerausbildung in Leipzig. Ich darf hier assistieren und mein Wissen vertiefen.
2019: Start der Shiatsu-Ausbildung am Europäischen Institut für Shiatsu in Berlin
2020: Neu: ALLES ONLINE! Personal-Yoga, Yogatherapie, Workshops zum Thema Yogatherapie bei Skoliose
2021: Kinderyoga-Ausbildung?, Shiatsu-Praktiker-Zertifikat?, Ayur-Yogalehrer-Zertifikat?, es bleibt spannend 🙂